Kurt Grünewald: Die Universitäten im Schatten des UG2002 - Perspektiven

ULV.aktuell report, 29. April 2006, Gert Bachmann


Christian Cenker, Kurt Grünewald

Bei einer Diskussionsveranstaltung anlässlich der Delegiertenversamlung des ULV Österreich am 29.April 2006 diskutierte der Wissenschafts- und Gesundheitssprecher der Grünen, Kurt Grünewald, mit VertreterInnen des ULV über Chancen zur Novellierung des mißglückten Universitätsgesetzes und aktuelle Perspektiven zu einer konstruktiven Einflussnahme in der österreichischen Bildungspolitik.

Grünewald bestärkte den ULV in seinen Bestrebungen im Rahmen der „Repararturwerkstatt UG“ , wo bereits in mehreren Diskusionsveranstaltungen und Pressekonferenzen unmittelbar realisierbare Verbesserungen am UG2002 thematisiert worden waren. Diese Anliegen würden von den Grünen ohne Einschränkung unterstützt. Insbesondere würden sich die Grünen neben einem tenure track auch für eine Entsorgung der Festschreibung absoluter Mehrheiten in den Senaten und für eine Aufhebung der kontraproduktiven Kurientrennung in „ordentliche ProfessorInnen“ und „andere UniversitätslehrerInnen“ einsetzen, da ein nicht mehr vorhandener Zwang, Anliegen mehrheitsfähig zu argumentieren, in einer Demokratie nichts verloren habe. Mit dem Wegfallen von Abstimmungen und vorhergehender Diskussion gäbe es auch, wie allenthalben zu sehen, keine adäquate Informationsweitergabe mehr. in Folge würde jegliche Motivation der „anderen“ sich überhaupt noch einzubringen, verschwinden - dies könne und würde sich kein Betrieb (wenn schon deplazierterweise betriebliches Vokabular für Unibelange bemüht werde) auf Dauer leisten. Die Abschaffung der BUKO (in der auch Grünewald mitarbeitete) sei äußerst bedauerlich, denn die interuniversitäre Kommunikation und damit eine konzertierte, informierte Universitätspolitik seien praktisch zum erliegen gekommen und nur noch Thema und Aufgabe privat finanzierter Vereine wie des ULV. „Es gibt niemanden mehr, der den teriären Bildungssektor zusammen denkt“, so Grünewald.

Ebenso müsse die möglichst rasche Studienbeendigung hinterfragt werden, da diese stark sozial selektiere, und dazu führe, daß Absolventinnen über der Effizienz der Studiendauer weder „links noch rechts“ sehen würden. In der Sorbonne - Erklärung werde die Bildung noch als Zukunftsinvestitution und Wert für sich gewürdigt, „Bologna“ definiere den Wert universitärer Bildung aber rein wirtschafts- oder machtpolitisch, etwa zum Anschluß an die USA.

Müssten nach diesen Zielsetzungen intendierte Novellierungen des Gesetzes, so fragte Gerhard Klinger, nicht so rigoros ausfallen, daß vom Kern des Gesetzes kaum noch etwas übrig bliebe? Grünewald bestägtigte dies vorsichtig, merkte jedoch an, eine Komplettentsorgung des Gesetzes sei schon deshalb nicht realistisch, weil die Universitäten einen neuen Reformschub mitten in der Implementierung des letzen wohl kaum verkrafteten, wenngleich eine rasche Schadensbegrenzung der durchaus negativen Auswirkungen des UG2002 (wenige qualifizierte Bewerbungen für die unatraktiven „Säulen“ eins bis drei des „Übergangsdienstgesetzes“, nie dagewesene Verwaltungsaufblähung zur Administration der Mängelbewirtschaftung) besonders dringlich sei.

Die Eliteinstution in Gugging habe man seitens der Grünen aus guten Gründen abgelehnt: es sei wesentlich sinnvoller, an den bestehenden Universitäten sieben bis acht „Excellenzcluster“ zu unterstützen. Ansonsten sei man aber mit den Sozialdemokraten im Prinzip auf der gleichen bildungspoloitischen Linie. Es müsse die Leistung für das Bildungswesen von den derzeit nicht einmal 1% BIP auf jeden Fall auf 1,5% gehoben werden. In die Regierung wolle man, doch mit Maß und Ziel und nicht „ohne Reißlene“ falls man über den Tisch gezogen würde.

Zahlreiche Diskutanten beklagten die Rückgratlosigkeit der Rektorenkonferenz, besonders bezüglich der unhaltbaren budgetären Situation. So gibt es Professoren, welche die unhaltbaren Beschwichtigungsaussagen Faulhammers zur positiven Entwicklung der Universitätsbudgets sogar noch in Artikeln im Standard sekundieren. Grünewald bekräftigte, viele Rektoren würden wohl in persöhnlichen Gesprächen Problembewustsein zeigen, aber wenn es darauf ankäme, dies auch gegenüber RegierungsvertraterInnen zu verbalisieren, zahnlos agieren. Man müsse diesen Leuten klarmachen, daß sie die gesamte Universität und nicht nur den Professorenverband zu vertreten hätten. Eine Redemokratisierung tue not, und zwar nicht nur in der für Viele zu abgehobenen Ebene des Senates, sondern auch auf der Ebene der Suborganisationseinheiten, also der Institute und Departments, um Engagement und Creativität zu motivieren. Die Apathie und der Mangel an Zivilcourage an den Unis sei erschütternd, und somit auch die Möglichkeit der opositionellen Politik mangels aktiver Ansprechpartner beschränkt. Man sollte nicht so schnell aufgeben und den eher liberalen Flügel der Rektorenkonferenz konkret ansprechen, schloß Grünewald.