Von mir aus auch mit Schwimmbad 12. Juli 2006, 13:05
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Maria Gugging oder Maria Taferl - ein Ex­zellenz-Institut ist keine Frage des Standorts, so der Industrielle Androsch im STANDARD-Interview

Das „Nichtleistungsangebot“ an den Unis rechtfertigt für Hannes Androsch keine Studiengebühren. Das Hochschulbudget würde er verdoppeln. Das Gespräch führte Michael Völker.

STANDARD: Was werden Sie für die Elite-Uni springen lassen?

Androsch: Sicher gar nichts. Ich glaube nicht, dass ein physisch dargestelltes postgraduales Forschungsstudium die Antwort auf die Herausforderungen ist. Meines Erachtens gehört das virtuell dargestellt und an die vorhandenen Einrichtungen dazugesetzt, die allerdings mit besserer Ausstattung, um gemeinsam die Infrastruktur und das Personal nutzen zu können.

Entgegen dem europäischen Vorschlag passiert das bei uns anders, nämlich fernab der bestehenden universitären Einrichtungen. Herausgekommen sind bisher 140 Personen für die Verwaltung und die Renovierung einer Kegelbahn. Dass das Ganze in Gugging stattfindet, ist Nestroy'sche Ironie.

Gleichzeitig ist seit 1999 das Gesamtbudget der 21 Universitäten von 2,4 Milliarden Euro auf unter zwei Milliarden Euro gesunken, obwohl sich in dieser Zeit die Hörerzahlen verdoppelt hat. Dazu müssen zusätzliche Kosten für Mieten und Pensionsbeiträge getragen werden.

STANDARD: Braucht Österreich überhaupt eine Elite-Universität oder ein Exzellenz-Institut?

Androsch: Was wir sicher brauchen, sind exzellente Universitäten und postgraduale Forschungsstudien. Das ist in einer Wissens- und Informationsgesellschaft, bei der Wachstum nicht zuletzt von der Kreativität und der Innovation seiner Menschen abhängt, notwendig. Erst recht in Europa mit seinen demografischen Veränderungen. Hier hinken wir maßlos den USA nach, die etwa im Forschungsbereich 100 Milliarden Euro mehr ausgeben. Die USA haben bei 300 Millionen Einwohnern 16 Millionen Studenten, während die EU bei mehr als 400 Millionen Einwohnern nur zwölf Millionen Studenten vorweisen kann.

Und Österreich ist innerhalb Europas weit abgeschlagen, wenn man Finnland oder Schweden als Benchmark nimmt. Dort gibt es auch ein höheres Wachstum, eine geringere Arbeitslosigkeit und bessere Staatsfinanzen. Das hängt unmittelbar zusammen.

Bei uns werden die Universitäten ausgehungert. Man braucht sich ja nur den Zustand der TU in Wien anschauen, rein baulich, und sich vor Augen führen, dass die ETH Zürich bei einem Drittel weniger Hörer ein fünfmal so großes Budget hat. Kein Wunder, dass sie Exzellenz- Status hat. Die Universitätsreform in Österreich ist unter diesen Umständen eine teilautonomisierte Verwaltung von skandalösen Mängeln.

STANDARD: Sind Sie jetzt für die Errichtung eines Exzellenz-Instituts oder nicht?

Androsch: Virtuell ja. So wie ein Penthouse auf ein Haus oben aufgesetzt wird, von mir aus mit Schwimmbad. Aber die Voraussetzung ist, dass das Haus das statisch aushält. Die Grundfeste müssen stimmig sein, und das trifft gegenwärtig auf unsere Universitäten bei Weitem nicht zu.

STANDARD: Was heißt virtuell?

Androsch: Dass man postgraduale Forschungsstudien an den jeweiligen Universitäten organisiert, unter Nutzung der vorhandenen Strukturen. Ein eigenes Institut führt nur zu einer Doppelgleisigkeit in einem Bereich, wo der größte Mangel herrscht, bei den Geräten. Die sind heillos veraltet. Was die Regierung betreibt, ist das Gegenteil des Campus- Prinzips, das ist eine Decampisierung.

Welcher Standort auch immer, Maria Gugging oder Maria Taferl: So eine Einrichtung gehört mit bestehenden Universitäten verknüpft. Ich bin Universitätsrat-Vorsitzender an der Montan-Uni in Leoben. Wir sind jederzeit gerne bereit, ein postgraduales Studium aufzusetzen, wenn wir das Geld bekommen. Aber unter der Voraussetzung, dass wir den laufenden Betrieb auf Exzellenz-Niveau führen können.

Wir haben in Oberösterreich die Situation, dass viele Firmen ihre Entwicklungsaufgaben nach München an die TU geben oder an das Fraunhofer-Institut nach Nürnberg, weil bei uns die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Darunter leidet dann auch die Drittmittelbeschaffung.

STANDARD: Wie hoch sollte das Uni-Budget sein?

Androsch: Wenn ich sage, ein Prozent des BIP ist ungefähr zweieinhalb Milliarden, dann würde ich meinen, dass das jetzige Hochschulbudget verdoppelt gehört. Das ist eine Investition in die Zukunft. Gleiches gilt für die Notwendigkeit einer raschen Anhebung der Forschungsquote von gegenwärtig nur zwei auf drei Prozent des Sozialprodukts.

STANDARD: Diese Regierung hat Studiengebühren und zuletzt auch Zugangsbeschränkungen eingeführt. Soll man das wieder abschaffen?

Androsch: Studiengebühren einzuführen und die Leistungen zu verschlechtern, das sind doch groteske Zustände. So ein Leistungsangebot oder Nichtleistungsangebot rechtfertigt keine Studiengebühren. Ein Land wie Österreich sollte sich zu einem Zentrum der Bildung und Forschung machen und sich bemühen, auch Studenten aus anderen Ländern gegen entsprechende Gebühren aufzunehmen, etwa aus den neuen und künftigen EU-Mitgliedsstaaten.

STANDARD: Da müsste man die Studienplätze aber nicht verdoppeln, sondern wahrscheinlich sogar verdreifachen.

Androsch: Was spricht denn dagegen? Wir sind ein reiches Land, wir haben ein Finanzvermögen von 350 Milliarden Euro auf der hohen Kante, wir haben eine Sparquote von zehn Prozent. Wir haben eine Rekordsteuerquote, aber auch eine Rekordarbeitslosenrate. Es spricht doch überhaupt nichts dagegen, aus dieser Idee einen exportfähigen Bildungsmarkt zu machen. Aber mit einer rückwärtsgerichteten und rückwärtsschreitenden Universitäts- und Forschungspolitik ist das sicher nicht zu erreichen. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.3.2006)


Hannes Androsch (67) war von 1970 bis 1981 Finanzminister und von 1976 bis 1981 Vizekanzler, danach Generaldirektor der CA. 1989 gründete er die AIC Androsch International Management Consulting GmbH. Androsch ist heute als strategischer Investor tätig, mit Beteiligungen unter anderem an AT&S, betandwin und der Salinen AG. Androsch lebt in Wien und Altaussee.